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Ca. 30.000 Unterschriften hat ein Bündnis für einen neuen Bürgerentscheid gegen den Stadtbahntunnel gesammelt, 22.725 davon wurden als gültig anerkannt. Derzeit streitet man sich noch über die Zulässigkeit eines dritten Bürgerentscheids nach '96 und '02.
Hauptanlass sind die Finanzen. Wurde 2002 noch ein Eigenanteil von nur 80 Mio. Euro (15 %) versprochen, Rest „geschenkt“ von Bund und Land, ergaben im Dezember 2008 Zuwendungsbescheid und neue Kostenschätzung gut das Doppelte: 173 Mio. Euro (ca. 30 % von 588 Mio. Euro, da man nicht alles fördert). Die Förderfähigkeit ist zudem sehr knapp und jede Bauzeitverlängerung birgt Finanzrisiken wegen Auslaufens des Fördergesetzes. Vor allem steht die beliebtere Kriegsstraße unter Prüfungsvorbehalt für 2014. Besteht sie ihn? Fällt sie Kostensteigerungen zum Opfer? Vielen fehlt das Vertrauen in Versprechungen der Politik. Die Reihenfolge war ein schwerer taktischer und psychologischer Fehler. Zudem soll der Eigenanteil innerhalb der KVVH nur auf Kredit finanziert werden, aber deren Haushalt gibt noch nicht mal Zins und Tilgung her: Fahr- und Energiepreise rauf? Angebot runter? Kein weiterer Netzausbau mehr? Oder muss doch der Stadthaushalt ran?
Das gute Abschneiden U-Strab- und S-21-kritischer Gruppen hier und in Stuttgart bei der Kommunalwahl gab einen weiteren Motivationsschub, die U-Strab doch noch zu stoppen. Dazu trat ein Bündnis aus Parteien (Grüne, Linke, Freie Wähler und ödp), Verbänden (Bürger für den Frieden, BI gegen den Tunnel, BUND) und Einzelkämpfern an. Es wäre die letzte Abstimmung: entweder es wird sofort gebaut oder das Projekt ist tot, weil das Fördergesetz ausläuft — nochmal aussitzen wie 1996 ginge nicht.
Neben den Finanzen spielen aber auch all die anderen „alten“, schon 2002 bekannten Nachteile der Kombilösung eine Rolle, für uns VCDler die wichtigeren Argumente, denn wenn eine Sache was taugt, darf man auch Geld investieren (so man es hat).
Die U-Strab bringt Fahrgästen Nachteile: Umwege zum Tunnel (4, S2), umständlicher Zugang zum ÖV, Umsteigen beschwerlich, par Stadtteile vom Marktplatz abgehängt, ... Verstärkt trifft es Mobilitätseingeschränkte. Formal alles barrierefrei, real neue Barrieren: Mit Orientierungsproblemen wird der Zugang komplexer, mit Gehbehinderung, Kinderwagen, ... ist man auf den einzigen Aufzug angewiesen. Und hat sich schon mal jemand vor Augen geführt, wie ein Blinder die nächsten 10 Jahre in der City (über)lebt? Wenig überzeugend ist auch das Konzept für Brände im Streckentunnel besonders für Rollis.
Auch der Nutzen für die Verkehrsbetriebe ist fraglich. Die Flexibilität des Netzes sinkt beträchtlich, die Kapazität wird nicht erhöht wie 1996, die Kriegsstraße ist wegen fehlender Verknüpfungen kaum sinnvoll nutzbar. Zusätzliche Linien müssen die Nachteile ausgleichen (bspw. Waldstadt-Hbf. über Karl-Wilhelm-Platz, sonst abgehängt) und führen zusammen mit den Betriebskosten des Tunnels zu Mehrkosten. Ob die durch weniger Umläufe und neue Fahrgäste wirklich reinkommen? Und die Tram wirbt nicht mehr durch Präsenz für sich selbst.
Auch die Stadt hat Nachteile: Neue störende Rampen, wegfallende Belebung der City außerhalb der Geschäftszeiten, der Handel wird sehr stark leiden in der Bauphase.
Hat die U-Strab auch Vorteile? Flanieren ganz ohne Bahnen (kann man aber schon zwischen ECE und Euro) und Autofahrer werden weniger gestört durch Bahnen an großen Knoten und danach beim Einkauf ...
Kurzum: wer den ÖV nutzt, hat die Nachteile, wer nicht, die Vorteile. Der ÖV-Topf bezahlt das ganze aber, somit sollte es also eigentlich umgekehrt sein ...
Funktionsprinzip 2. Rampe am Hbf. Graphik: Heiko Jacobs |
Alternativen wurden genug vorgeschlagen: 2. Rampe am Hbf (Skizze), Tangentiallinien, andere Linienführungen und natürlich die Kriegsstraße. Was wird aus der? Formal wirkt das Bürgerbegehren nur gegen die U-Strab, aber die Kriegsstraße ist so eng mit ihr verknüpft, dass sie „mit stirbt“. Man muss sie neu überdenken: Ist sie wohl- oder überdimensioniert? Die Unterführung Mendelssohnplatz beseitigt einen Engpass für Autos, warum aus dem ÖV-Topf zahlen? Wir haben das Glück, dass derzeit der Verkehrsentwicklungplan neu aufgestellt wird (siehe u&v 2/09), dort wären die Fragen nach einer „besseren“ Kriegsstraße und nach Alternativen genau richtig aufgehoben.
Die Stimmung scheint wegen des Geldes gekippt zu sein. M.E. ist es nicht schade drum, denn die U-Strab nützt dem ÖV kaum. Sie folgt dem Muster „viel hilft viel“, was in eine Stadt unserer Größe aber nicht passt. Die Alternativen entwickeln das Karlsruher Modell systematisch weiter nach bewährtem Muster kleiner, aber sehr effektiver Maßnahmen. Karlsruhes Bahnen gehören zur Stadt und das mittendrin statt unten! Nur etwas weniger wäre gut.
Links mit weiterführenden Informationen:
Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/09
Stand des Artikels: 2009! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.