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Schnakenbekämpfung am Oberrhein — Notwendigkeit oder Umweltsünde?

Rheinauen bei Karlsruhe: Malerisch anzuschauen, wertvolle Natur, aber auch Brutstätte der blutsaugenden Stechmücken ...; Foto: Heiko Jacobs

Wen stören sie nicht, die Stechmücken oder „Schnooge“, wie man bei uns sagt? Es kommt nicht von ungefähr, dass man gerade hier im Oberrheingraben versucht, ihnen mit einem intensiven Bekämpfungsprogramm zu Leibe zu rücken. Die ausgedehnten Wasserflächen der Altrheinarme und Feuchtniederungen bieten in Kombination mit dem warmen Klima im Südwesten Deutschlands optimale Brutstätten für die im Wasser lebenden Larven. Als Waffe gegen die Plagegeister wird ein Bakterium eingesetzt: Bacillus thuringiensis israelensis (Bti). Das Bakterium produziert Proteine, die im Darm der Stechmückenlarven ihre tödliche Wirkung entfalten. Letztlich löst sich die Wand des Darms auf und dessen Inhalt strömt in den Körper, was spätestens nach Stunden den Tod der Larve zur Folge hat. Das Bekämpfungsprogramm wird mit einem Monitoring begleitet, das zeigt, dass ca. 90 % der Mückenlarven abgetötet werden, andere Insekten jedoch weitgehend verschont werden. Verantwortlich ist der Verein KABS. e.V. (Kommunale Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage) der 1976 gegründet wurde. Mitglieder sind Kommunen vom Kaiserstuhl bis Wiesbaden sowie das Regierungspräsidium Freiburg. Die Ausbringung des Biozids erfolgt mittlerweile in der Regel per Hubschrauber. Der Ausfall der Hubschrauber im Mai 2019 veranlasste sogar einen Bundespolitiker aus Bruchsal medienwirksam die Ausrufung des Katastrophenfalls und den Einsatz von Bundeswehrhubschraubern zu fordern.

Auf den ersten Blick scheint das Engagement von KABS eine Erfolgsgeschichte zu sein. Aber gerade in Zeiten, in denen Biodiversität und Insektensterben zentrale Themen im Bereich Umweltschutz sind, ist es an der Zeit, die großflächige Schnakenbekämpfung kritisch zu hinterfragen. Unbestreitbar sind die Stechmücke und deren Larve nämlich auch Bestandteile der Nahrungskette. Eine drastische Reduzierung der gerade für die Altrheinauen typischen Stechmücken bleibt nicht ohne Folgen für andere Tierarten dieses wertvollen Lebensraums, seien es Libellenlarven, Fische, Amphibien oder Singvögel. KABS hält dem entgegen und argumentiert, dass die Stechmücken nur einen geringen Teil der Insekten darstellen und von Vögeln allein schon mangels Größe ungern gefangen werden. Doch auch die für das Nahrungsangebot besonders wichtige und für uns Menschen unproblematische Zuckmücke kann durch das Bti ebenfalls geschädigt werden. KABS verweist jedoch darauf, dass durch korrekte Dosierung und Meidung der Brutgebiete der Zuckmücken diese Gefahr minimiert wird. Wissenschaftler des Instituts für Umweltwissenschaften iES der Universität Koblenz-Landau widersprechen dieser Aussage: In einer kürzlich abgeschlossenen Studie haben sie in einem Feldversuch einen Rückgang der Zuckmückenlarven um 50 % festgestellt. In der Folge würden Libellenlarven auf andere Nahrungsquellen, wie z. B. Amphibienlarven ausweichen, deren Bestände dadurch geschwächt würden. Auch die direkte Schädigung von Amphibienlarven mit Folgen für die Fortpflanzungsfähigkeit der augewachsenen Tiere konnte im Rahmen der Studie festgestellt werden.

Die Stechmückenbekämpfung sollte daher nicht die nahezu vollständige Vernichtung der Stechmückenpopulationen zum Ziel haben, sondern nur unerträgliche Zustände für den Menschen verhindern. Vertiefte Studien sollten ein noch besseres Bild über die ökologischen Folgewirkungen geben. Die biologische Vielfalt der wertvollen Biotope am Oberrhein muss ganz oben auf der Agenda des Umweltschutzes stehen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Nützling und Schädling eigentlich längst Geschichte. Wir müssen lernen, auch mit unliebsamen Tieren zurechtzukommen und uns auf andere Weise vor ihnen zu schützen, als sie zu töten. Im unmittelbaren Umfeld von Wohngebieten sollten Regentonnen abgedeckt werden und lange Zeit stehende Wasserflächen vermieden werden. Außerorts werden die Plagegeister durchaus eher schon als Teil der Natur toleriert. Dort sollte die Bekämpfung versuchsweise eingestellt oder zumindest reduziert werden, damit das natürliche Gleichgewicht der Arten wieder zur Wirkung kommen kann.

Infos im Internet:
www.uni-koblenz-landau.de/de/aktuell/archiv-2019/abschlussberichtbti
www.kabsev.de/

Johannes Meister

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/19

Stand des Artikels: 2019! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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