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Hochwasserschutz vor unserer Haustür — der geplante Retentionsraum Bellenkopf-Rappenwört

Durch den Ausbau des Oberrheins hat sich der Hochwasserschutz für die Rheinanlieger unterhalb der Staustufe Iffezheim deutlich verschlechtert. Lag vor 1955 der Abfluss des Rheinwassers am Pegel Maxau im Fall des statistisch alle 200 Jahre einmal auftretenden Hochwasserereignisses bei ca. 5000 m³/s (Pegelstand ca. 9,20 m), so ist dieser Wert nach Fertigstellung der Staustufen im Jahr 1977 auf ca. 5700 m³ (Pegelstand ca. 9,80 m) angestiegen. Auch wenn in den letzten 60 Jahren kein “200-jährliches Hochwasserereignis” aufgetreten ist, zeigt die Graphik, dass am Pegel Maxau seit 1977 die 8 m-Marke weit häufiger überschritten wurde als zwischen 1943 und 1977. Gründe für die Verschlechterung des Hochwasserschutzes unterhalb von Iffezheim sind der Verlust an Überflutungsflächen (Rückgang der Überflutungsfläche zwischen Basel und Maxau von 260 km² im Jahr 1920 auf 130 km² im Jahr 1980), die dadurch bedingte stark erhöhte Fließgeschwindigkeit des Rheins und die Überlagerung der Hochwasserscheitel von Schwarzwald- und Vogesenzuflüssen mit dem Hochwasserscheitel des Rheins.

Die deutsch-französische Vereinbarung vom 6. Dezember 1982 reagierte auf die erhöhte Hochwassergefahr. Laut Artikel 7 “sind sich die Vertragsparteien einig, auf der Grundlage des Schlussberichts der Hochwasser-Studienkommission die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um unterhalb der Staustufe Iffezheim den vor dem Ausbau der Oberrheins vorhandenen Hochwasserschutz wieder herzustellen.” Nach intensiven Untersuchungen legte die internationale “Hochwasser-Studienkommission für den Rhein” (HSK) fest, dass zwischen Basel und Mannheim ein Hochwasserrückhaltevolumen von ca. 255 Mio. m³, davon 57 Mio. m³ auf französischem, 30 Mio. m³ auf rheinland-pfälzischem und 168 Mio. m³ auf baden-württembergischem Gebiet, bereitzustellen ist.

Entsprechend den Vorgaben der HSK sollen auf baden-württembergischem Gebiet bis 2015 dreizehn Hochwasserrückhalteräume  (Retentionsräume) betriebsbereit sein, zehn oberhalb von Iffezheim (Rückhaltevolumen 136 Mio. m³; fertig gestellt sind Kulturwehr Kehl/Straßburg und Polder Altenheim), drei unterhalb von Iffezheim (32 Mio. m³). Beim Hochwasser im Mai 1999 zeigte sich der Erfolg des Schutzkonzeptes: Durch den Einsatz der verfügbaren Retentionsräume wurde  erreicht,  dass  sich der Hochwasserscheitel am Pegel Maxau um 24 cm auf 8,85 m verringerte.

Der vor unserer Haustür gelegene zukünftige Retentionsraum Bellenkopf-Rappenwört gehört zu den unterhalb von Iffezheim geplanten Schutzmaßnahmen. Er erstreckt sich von Rheinstetten-Neuburgweier im Süden bis zum Karlsruher Rheinhafendampfkraftwerk im Norden und wird rheinwärts vom Hochwasserdamm (HWD) XXV, landwärts vom HWD XXVI begrenzt (vergl. Skizze). Er umfasst eine Fläche von 510 ha und soll an Rückhaltevolumen maximal 14 Mio. m³ erbringen. Der rund 200 m vom Rhein entfernte HWD XXV wurde 1934/35 gebaut; bis zu diesem Zeitpunkt wurden Teile des Gebiets bei Hochwasser regelmäßig überflutet.

Zur Zeit bereitet die Gewässerdirektion Nördlicher Oberrhein die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren Bellenkopf-Rappenwört vor. Drei Varianten werden geprüft:

  1. Ungesteuerter Retentionsraum, Verbindung zum Rhein über 5 Öffnungen im HWD XXV
  2. Gesteuerter Retentionsraum, Verbindung zum Rhein über 5 Ein-/Auslassbauwerke
  3. Gesteuerter Retentionsraum wie 2., jedoch mit Querriegel zwischen dem südlichen und dem nördlichen Teil des Retentionsraums.
Grenzen des geplanten Retentionsraums Bellenkopf-Rappenwört (Stand 2004). Graphik: H. Jacobs

Bei allen drei Varianten muss der HWD XXVI verstärkt werden, und es sind Maßnahmen durchzuführen, die den Anstieg des Grundwassers außerhalb des Rückhalteraums verhindern. Die z.Zt. ebenfalls laufende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) untersucht die Auswirkung der Varianten auf die im UVP-Gesetz genannten Schutzgüter (Menschen, Tiere und Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, u.s.w.). Da der gesamte Retentionsraum als NATURA 2000-Gebiet ausgewiesen ist, ist außerdem eine Flora- Fauna-Habitat(FFH)-Verträglichkeitsstudie zu erstellen. Mit der Planfeststellung wird für das kommende Jahr gerechnet, als Termin für die Fertigstellung des Retentionsraums ist 2011 im Gespräch.

Im Hochwasserfall wird der zukünftige Retentionsraum Bellenkopf-Rappenwört vollständig überflutet. Bei einem Wasserstand am Pegel Maxau von 8,50 m würde das bedeuten, dass etwa die Hälfte des Gebiets bis 1 m, die andere Hälfte 1-2 m unter Wasser steht. Die Lebensgemeinschaften von Bellenkopf und Rappenwört, die seit 60 Jahren von der Dynamik wechselnder Rheinwasserstände abgeschnitten sind, wären akut bedroht. Zum einen haben sich dort inzwischen Tiere und Pflanzen trockener Standorte angesiedelt, zum anderen haben typische Auenbewohner ihre Hochwassertoleranz verloren. Das am 29. Januar 1996 von der Landesregierung Baden-Württemberg verabschiedete “Rahmenkonzept zur Umsetzung des Integrierten Rheinprogramms” berücksichtigt diese Problematik. Ziel des Rahmenkonzepts sind sowohl die Wiederherstellung des Hochwasserschutzes als auch - gleichrangig - die Erhaltung und Renaturierung der Auenlandschaft.

Um die Auenlandschaft zu erhalten und zu renaturieren, sind in den Retentionsräumen “ökologische Flutungen” erforderlich. Durch sie soll die Dynamik wechselnder Rheinwasserstände in die Retentionsräume zurückkehren und die Entwicklung hochwassertoleranter Lebensgemeinschaften gefördert werden. Für den Besucher sind die “ökologischen Flutungen” von Bellenkopf und Rappenwört fast nur als Wasserstandsschwankungen in den Gräben wahrnehmbar, da der Wasserstand des Rheins im Normalfall nur an wenigen Tagen im Jahr hoch genug ist, um größere Flächen zu überfluten.

Literatur: Rahmenkonzept des Landes Baden-Württemberg zur Umsetzung des Integrierten Rheinprogramms (Lahr 1996), Band 7 der Materialien zum Integrierten Rheinprogramm. Herausgeber: Oberrheinagentur, Lotzbeckstraße 12, 77933 Lahr.

Gastbeitrag von Dorothea Harms
BUND Ortsverband Rheinstetten

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 3/04

Stand des Artikels: 2004! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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