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  Pro Bahn   

Das “Schöne-Wochenende-Ticket” (SWT) hat 10jähriges Jubiläum

Am 1.2.1995, also ein gutes Jahr nach dem Start der Bahnreform, wurde es, auch zur großen Überraschung der Bahnfreunde, in die Bahnwelt gesetzt: Fünf Erwachsene oder Familien mit allen Kindern unter 18 Jahren konnten an Samstagen und Sonntagen die damaligen Nahverkehrsangebote von der DB Regio für 15,- DM nutzen! Ein unglaubliches Angebot, wenn man wusste, was an Trassengebühren, Stationen- und Service-Entgelten usw. von den Eisenbahn-Verkehrsunternehmen seit dem 1.1.1994 gezahlt werden musste.

Der Erfolg dieses Angebots ließ nicht lange auf sich warten. Die Nahverkehrszüge waren am Wochenende deutschlandweit voll bis überfüllt. Die schlimmsten Horrorgeschichten geisterten durch den Blätterwald und in sachlicherer Form durch die Fachpresse. Seit Jahren und vielleicht sogar seit Jahrzehnten fuhren erstmals wieder Erwachsene und Kinder mit “der Bahn”, die diesem Verkehrsmittel wegen des unausrottbaren Vorurteils “zu teuer” schon vor langer Zeit den Rücken gekehrt hatten.

Dass DB Regio auf den unerwarteten Ansturm auch nach Monaten nicht mit längeren Zügen reagierte, war typisch. Höhere Einnahmen waren natürlich erwünscht, der Aufwand durfte sich aber nicht erhöhen. Die Zugbegleiter ihrerseits machten an Wochenenden überhaupt keine Anstalten mehr, durch die überfüllten Züge zu “turnen”, um Fahrscheine zu kontrollieren. Noch heute werde ich an Sonntagen im RE Würzburg --- Stuttgart nur sehr selten kontrolliert. Ich frage mich wirklich langsam, wozu ich noch eine Fahrkarte kaufe? Die Antwort auf eine entsprechende Frage an den Zugbegleiter lautete sinngemäß: Wie soll ich noch Fahrkarten prüfen können, wenn fast jeder Reisende nur noch sagt, der da vorne irgendwo hat das SWT für uns.

Ein weiterer (subjektiver) Eindruck von mir war, dass viele Reisende nur die Strecken befuhren, die sie offenbar noch “von früher” her kannten. Eine möglichst gleichmäßige Nutzung aller Nahverkehrsangebote von DB Regio am Wochenende war offensichtlich nicht zu erreichen. Die jahrzehntelange negative Berichterstattung in den Medien über “die Bahn”, insbesondere über Streckenstilllegungen in allen Landesteilen, hatten sich wohl so stark in den Köpfen der meisten Menschen festgesetzt, dass sie ohne Kursbuch o.ä. gar nicht mehr wussten, wie viele so genannte Nebenstrecken tatsächlich noch bedient werden. Wenn ich z.B. im Winter zum Langlauf nach Freudenstadt fuhr, hatte ich den RE fast für mich alleine.

Aber zurück zur weiteren Entwicklung des SWT. Da der unerwartete Ansturm auf manchen Strecken nicht durch eine Angebotserhöhung bewältigt werden konnte oder sollte, drehte man über all die Jahre hinweg ganz einfach an der Preisschraube oder veränderte die Bestimmungen, um die Nachfrage zu dämpfen. Keine Idee war den “Marketingfachleuten” zu dumm, um potentielle Reisende vom Bahnfahren abzuhalten. Am 1.4.1999 wurde z.B. der Gültigkeitszeitraum auf Samstag oder Sonntag reduziert und der letzte DM-Preis war inzwischen auf 40,- Mark geklettert.

Dass das SWT nach der “Erstnutzung” munter weiterverkauft wurde, war der DB Regio natürlich ein Dorn im Auge, verhindern konnte sie es nicht. Erst in den letzten Wochen tauchten Gerüchte auf, dass in Zukunft der Name des ersten Käufers auf den Fahrschein gedruckt werden soll. Bei einer eventuellen Fahrkartenkontrolle muß dann der Personalausweis gezeigt werden. Wir werden sehen ...

Wie sieht es um die Zukunft des mittlerweile stolze 30,- EUR (!) kostende Ticket aus?

Seit die inzwischen in allen Bundesländern angebotenen “Ländertickets” auch auf das Wochenende ausgedehnt wurden, wird die Zahl der SWT-Nutzer wohl zurückgehen. Natürlich wird es immer preissensible Reisende geben (vor allem Jugendliche), die sich einen Spaß daraus machen, mit dem SWT z.B. von Karlsruhe nach Berlin zu fahren (oder bis an die Ostsee), und dafür lange Reisezeiten und mehrmaliges Umsteigen in Kauf nehmen.

Wie lange noch z.B. Umweltbewusstsein, modernere Züge oder Taktfahrpläne trotz evtl. weiter steigender Preise genügen werden, um Herrn X oder Frau Y am Wochenende in die Nahverkehrszüge zu locken, bleibt abzuwarten.

Als überzeugte Bahnfreunde geben wir jedoch die Hoffnung nicht auf, auch in zehn Jahren wieder auf die Geschichte interessanter Sonderangebote zurückblicken zu können ...

Norbert Stützle

Dies ist ein Artikel der Karlsruher Zeitschrift umwelt&verkehr 2/05

Stand des Artikels: 2005! Der Inhalt des Artikels könnte nicht mehr aktuell sein, der Autor nicht mehr erreichbar o.ä. Schauen Sie auch in unseren Themen-Index.

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